
Sofa Ratgeber
11. Juli 2014
Ratgeber Meine neue Katze
11. Juli 2014Es ist eines der Themen, das nicht nur das Denken und Handeln vieler Frauen und Männer beherrscht, es ist zudem eines von denen, die in den Medien zumeist behandelt werden: Der Kampf mit den Kilos. Gemäß der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände fühlt sich knapp die Hälfte der Deutschen zu dick. Jedes Jahr im Januar steigen die Zahlen der Anmeldungen in Fitness-Studios an, große Discounter werben mit Sportgeräten und Diätmittelchen, weil sie wissen, im Januar ist die Nachfrage da.
Es ist der Vorsatz, den die Menschen oft nicht nur mit auf die Liste schreiben, es ist Nummer eins.
Die Gründe für die Gewichtszunahme sind verschieden, meine lagen an meiner eigenen Blindheit für die Geschehnisse. Von der Arbeit sehr eingebunden, oftmals gestresst und begleitet von großen Schwierigkeiten in meiner damaligen Beziehung, nahm ich zu. Doch leider fiel es mir nicht auf.
Diejenigen, die nie so sehr mit ihrem Gewicht gekämpft haben, werden es möglicherweise nicht verstehen. Wie kann einem halbwegs intelligenten Menschen nicht auffallen, dass er stetig größere Konfektionsgrößen benötigt?
Es ist ein Verdrängungsmodus, der mich hat blind werden lassen. Ich sah, was geschah, doch inkludiert mit meinen anderen Problemen wollte ich es nicht sehen.
Bis ich nicht mehr anders konnte und bei Konfektionsgröße 48 angelangt war. Für mich war die Überlegung klar: das geht gar nicht, ich muss abnehmen. Doch wie?
Ratgeber wurden gekauft, über das Internet über immer wieder neue Diäten nachgeforscht, Ergänzungsdrinks getrunken, Kohlehydrate weggelassen, oder gar ganze Mahlzeiten, derlei Möglichkeiten gibt es en masse.
Doch nach kurzfristigen Erfolgen kamen die Kilos wieder zurück, ich merkte, abnehmen ist wirklich nicht leicht. Mir kam der Verdacht, dass es ohne eine komplette Ernährungsumstellung nicht gehen wird. Doch das war noch etwas, was ich nicht einsehen wollte.
Zudem spitzen sich meine beruflichen Schwierigkeiten zu, der Ärger mit meinem Chef nahm Überhand. Eine Depression trat ein, das Stärkegefühl nahm ab und damit ging auch der Wille zur Abnahme der Kilos.
Über die Behandlung der Depression kam ich zum Sport, denn die Betätigung an der frischen Luft, überhaupt die körperliche Bewegung wirklich förderlich auf den Gemütszustand.
Zu Anfang ging ich nur spazieren, zu allem anderen war ich nicht bereit. An der frischen Luft, in der Stadt, im Wald, manchmal über Felder. In der Sonne, im Sturm, im Regen und im Winter auch im Schnee. In den ersten Wochen ging ich eher unwillig los, war jedoch umso stolzer, wenn ich wieder zu Hause ankam. Irgendwann brauchte ich den Gedanken an den Stolz nicht mehr, um mich zu motivieren. Ich wollte sogar mehr. Also machte ich Zumba, Hanteltraining, Pilates, kaufte mir einen Crosstrainer und trainierte zu Hause. Alles wollte ich mal ausprobieren.
Das Abnehmen begann. Es begann zu dem Zeitpunkt, an dem es nicht mehr um das Abnehmen für sich ging. Die Gründe für den Sport lagen schließlich in der Depression. Als ich anfing, joggen zu gehen, realisierte ich zum ersten Mal, dass die Laufschuhe, die ich früher als Feind angesehen hatte, nun meine Freunde waren. Sie gaben mir das Gefühl, wieder etwas wert zu sein, stärkten mich in meinem Selbstbewusstsein.
Selbstredend nahm ich über den Sport ab, doch eines wurde im Laufe der Zeit immer klarer: sobald ich nicht mehr so verbissen an meinen Hüftspeck dachte, verdünnisierte er sich beinahe selbstständig. Doch je intensiver ich an Oberschenkel, Po und Bauch dachte, desto eher blieben sie so, wie sie waren.
Natürlich überlegen sich die Fettzellen nicht eigenständig, zu bleiben, wenn der Mensch öfter an sie denkt. Vielmehr vergeht mehr Zeit, wenn wir nicht an sie denken und dann ist es selbstverständlich, dass sie gefühlt eher verschwinden.
Tatsache ist, dass der Sport mir aus meiner Depression geholfen hat, mittlerweile brauche ich ihn förmlich, um mich gut zu fühlen. Über den Sport wurde ich körperbewusster und stellte meine Ernährung ohne große Planung einfach um. Ich hatte keinen Appetit mehr auf Chips und Schokolade, so verrückt es auch klingen mag.
Es gibt kein Allheilmittel für Jedermann, aber Jedermann hat sein eigenes Bewusstsein, sein eigenes Gefühl für sich und seine Bedürfnisse.
Wenn ich zu Hause sitze und weine, wird es nicht besser werden. Und der erste Schritt wird weh tun, der Verzicht auf Zucker wird schwer sein. Die ersten Schritte im Sport mögen noch durch die Motivation einfach sein, doch es kommt der Punkt, an dem das Aufhören zu verlockend klingt.
Seit dem Zeitpunkt, an dem ich mit dem Spazieren anfing, sind mittlerweile 4,5 Jahre vergangen. Ich nahm ab und nahm wieder zu, als ich bei meiner neuen Arbeit gemobbt wurde und wieder in mein altes Verhaltensmuster fiel. Erst da realisierte ich übrigens diese konsequente Verdrängung. Vorher war es mir noch nicht so bewusst gewesen. Seit knapp einem Jahr bin ich auf dem neuen Weg, knapp 13 Kilo weniger zeigt die Waage an. Natürlich geht in einem Jahr mehr, doch die Langsamkeit der Dinge setzt mich weniger unter Druck, zudem hat mein Körper Gelegenheit, sich daran zu gewöhnen. Nichts wäre schlimmer, die gewünschten 20kg abzunehmen und später das und mehr wieder auf den Hüften zu haben. Zudem befeuert die langsame Geschwindigkeit mein Bewusstsein für mich und die Erkenntnis, dass ich auch mit Übergewicht ein Mensch bin, der zählt.
Wenn ich irgendwann bei meinem Traumziel angekommen bin, der Größe 38, werde ich wissen, wie es ist. Werde viele Dinge anders zu schätzen wissen. Und ich werde wissen, wie es ist, hinzufallen, aufzustehen, den Schmutz abzuklopfen und weiterzulaufen.
Das bringt wahre Stärke und mit der wahren Stärke ist Frustessen gar nicht mehr notwendig.